Einleitung Über die aktuelle Situation in Grundschulen
Überfüllte Klassenzimmer, Kinder, die kein Wort Deutsch sprechen und überforderte Lehrer - das ist in vielen Grundschulen in Bayern und weiten Teilen Deutschlands die Realität. Das Ausmaß der aktuellen politischen Lage und der Flüchtlingskrise wird vor allem in der Schule deutlich. Alle Kinder sollen in die Schule gehen und dort Deutsch lernen. Allerdings ist dies ein Problem für die Lehrkräfte. Sie müssen den normalen Regelunterricht fortsetzen und sich nebenbei darum kümmern, dass auch die Kinder, die kein Deutsch sprechen, etwas lernen. Häufig ist hierbei problematisch, dass viele Lehrkräfte keine Ausbildung im DaF/DaZ-Bereich haben und nicht wissen, wie man den Flüchtlingen richtig Deutsch beibringt. Die genannte Situation ist wohl das eindeutigste Kennzeichen von Heterogenität. Jedoch nicht das Einzige. Auch innerhalb der Regelklasse gibt es mehrere Merkmale von Heterogenität, auf die die Lehrperson eingehen muss. Durch Heterogenität in einer Klasse sind die Schüler und ihr Leistungsstand sehr unterschiedlich und die Lehrkraft muss geeignete Maßnahmen finden, wie sie individuell auf die einzelnen Kinder eingehen kann und alle in den Regelunterricht integrieren kann. Solche Integrationsmaßnahmen sind wichtig, damit der Unterricht funktionieren kann. Das Hauptproblem dabei ist, dass geeignete Integrationsmaßnahmen nicht bekannt sind oder wenig geeignete Verfahren genutzt werden. In unserem Projekt haben wir uns überlegt wie man solchen Problemen entgegenwirken kann und wollen den Lehrerinnen und Lehrern konkrete Integrationsmaßnahmen aufzuzeigen, um der Heterogenität in einer Klasse, vor allem im Bereich DaZ/DaF, gerecht zu werden.
Heterogenität Allgemein
Definition und Merkmale „Heterogenität, das Erfassen der sie begleitenden Chancen und Gefahren, und insbesondere der Umgang mit ihr in Lehr-Lernsettings, war schon immer ein Thema der Schulpädagogik […]. Heute in der Zeit von Emigrations- und Immigrationsprozessen globalen Ausmasses erhält das Thema Heterogenität und der Umgang mit ihr in der Schule, im Unterricht und in der Gesellschaft zusätzliche, vordringliche Bedeutung“ (Grunder/Gut. 2012, 7). Der Begriff Heterogenität lässt sich ableiten aus dem altgriechischen heterogénēs, was sich zusammensetzt aus den Wörtern héteros (anders/ verschieden) und génos, was so viel wie Klasse oder Art bedeutet. Heterogenität wird dem Duden nach beschrieben als „Ungleichartigkeit, Verschiedenheit, Uneinheitlichkeit im Aufbau, in der Zusammensetzung.“ Diese Beschreibung ist aber jedoch eher allgemein gehalten und kann je nach Anwendungsgebiet nochmal differenziert werden. Anwendungsgebiete sind u.a. vorzufinden bei ökologischen Studien, medizinischen Dissertationen oder im politischen Diskurs, wobei der am häufigsten diskutierte Anwendungsbereich aber der innerhalb des Schulrahmens ist. Heterogenität ist in der Schule der Normalfall und hat zu der individuellen Vielfalt auch Aspekte der pluralen Gesellschaft in sich, worunter die soziale und kulturelle Vielfalt zählen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass individuelle Vielfalt und gesellschaftliche Pluralität das Wesen der Heterogenität in der Schule ausmachen. Aber auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sind die Merkmale der Heterogenität erkennbar, worunter unter anderem z.B. die soziale Heterogenität, die interkulturelle Heterogenität, sowie die Leistungs-, Geschlechts-, Alters-, und die Interessensheterogenität zählen.
„Unterrichten ist in einem Spannungsfeld zwischen Individualität und Gemeinsamkeit zu sehen, d.h. es kommt auf eine sinnvolle innere Differenzierung an“ (Streber, 2015, S. 22). Einige Grundsätze erscheinen somit zielführend für die Heterogenität: Unter anderem, dass Heterogenität nach Differenzierung verlangt, die Schülerinnen und Schüler aber jedoch stets bei einem gemeinsamen Inhalt bleiben sollen. Außerdem, dass die differenzierten Aufgaben in den gemeinsamen Unterricht eingebettet sein müssen, sowie, dass das Ausmaß der Lernhilfen so gestaltet sein sollte, dass alle Kinder angemessen lernen können. Zudem ist es wichtig, dass man diese Vielfalt nicht als Problem, sondern eher als Herausforderung und Chance sehen sollte, die bereichernd für den Unterricht ist, wobei da die Meinungen auch verstärkt auseinandergehen. Manche sehen Heterogenität als Problem und Belastung an, die durch die heterogenen Lebenslagen und Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler entstehen, welche, insofern es keine negativen Effekte nach sich ziehen soll, einer Bearbeitung bedarf. Andere Beiträge wiederum sagen, dass die Heterogenität als eine Chance zu sehen ist. Das Problem in dieser Perspektive ist nun aber nicht mehr das soziale Phänomen Heterogenität, sondern dessen Wahrnehmung bzw. Bewertung.
Kategorien und Umgangsweisen der Heterogenität Nach BOLLER, ROSOWSKI und STROOT wird Heterogenität im Zusammenhang mit institutionalisierter Bildung in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Durch eine solche Aufgliederung wird die Verwendung von Heterogenität verdeutlicht. Dabei unterscheiden die Autoren zwischen institutionsinternen- und institutionsexternen Kategorien:
Leistungsbedingte Heterogenität: Diese meint im Lernprozess Unterschiede in Geschwindigkeit, Fähigkeit oder Bereitschaft und im Abschluss abweichende Ergebnisse. Hierbei handelt es sich um ein institutionsinternes Kriterium. Die Institution setzt hierbei die Leistungsanforderungen.
Altersheterogenität und Heterogenität des Entwicklungsstandes: Diese gehören ebenfalls zu den institutionsinternen Kriterien.
Sozialkulturelle Heterogenität: Diese bekommt durch bestimmte soziale Erwartungen in der Schule Relevanz und ist eine alte institutionsinterne Kategorie.
Sprachliche Heterogenität: Es gibt mehrere Formen à Als dialektal oder soziokulturell bedingte Abweichung von Standardsprache ist sie eine schulinterne Kategorie. Als ethnische bzw. migrationsbedingte Abweichung ist sie eine institutionsexterne Kategorie.
Migrationsbedingte Heterogenität: Diese wird meist kulturell diskutiert. Kulturelle Erfahrungen und Handlungsmuster weichen zum Teil von denen ab, die in der Schule als Standard gelten. Hierbei handelt es sich um eine Mischung von institutionsinterner und –externer Kategorie.
Gesundheits- und körperbezogene Heterogenität: Diese kommen von außen in Bildungsinstitutionen. Formen von Abweichung, als „Behinderung“ beschrieben, gewinnen in Schule durch die spezifischen Organisation von Lernprozessen und durch bauliche Gegebenheiten, wie z. B. Treppen, Bedeutung und ist somit institutionsintern. Alle anderen Formen, wie z. B. Drogenabhängigkeit, Gewalterfahrungen oder physische bzw. psychische Erkrankungen sind institutionsextern.
Geschlechtsbezogene Heterogenität: Diese kommt ebenfalls von außen in die Bildungseinrichtungen hinein. Die gesellschaftliche Festlegung von Geschlechtern und geschlechtsspezifischen Mustern wirkt in die Schule hinein und ist dort nur wenig zu beeinflussen.
Nach BOLLER, ROSOWSKI und STROOT gibt es neben der institutionsinternen bzw. –externen Bedingtheit zwei weitere Muster: Heterogenität als „soziales Phänomen“, als Ungleichheit in einem Sozialzusammenhang (z. B. in einer Lerngruppe). Andererseits ergibt sich die Heterogenität bezogen auf Normalitätsvorstellungen über die Schülerschaft. Dabei beschreibt Heterogenität Abweichungen vom gesetzten Standard, der ohne konkrete Gruppe existiert.
Bei dem Umgang mit Heterogenität geht es darum, welche handlungspraktischen Konsequenzen die Akzeptanz von Heterogenität für die Organisation und Gestaltung von Lernprozessen hat. Die heterogenen Lerngruppen und das gleichberechtigte Miteinander von Verschiedenen weisen verschiedene Chancen auf: Wenn jüngere und ältere Kinder, Jungen und Mädchen, Kinder mit und ohne Behinderungen oder Kinder unterschiedlicher ethnokultureller Herkunft einander auf gleicher Augenhöhe begegnen, werden Ressourcen geweckt und vielfältige Lernprozesse angeregt. Diese Chance kann jedoch laut BUHOLZER und KUMMER WYSS leicht vertan werden, wenn ein Rückgriff auf unreflektierte Normvorstellungen stattfindet. Dies führt vorschnell zu unnötigen Zuschreibungen und in der Folge zu Sanktionen wie Disziplinierung, Ausgrenzung und Aberkennung. Gleichzeitig besteht auch die Gefahr von Stereotypen oder verkürzenden Sichtweisen (z. B. bei der Beschreibung von ethnokultureller Vielfalt). Die Autoren weisen darauf hin, dass Beobachtungen, die von einem heterogenitätssensiblen Blick, der genau hinschaut und sich nicht von unreflektierten Vorannahmen beeinflussen lässt, hilfreich sei. Des Weiteren sei es wichtig auf die Berücksichtigung von Bedingungsfaktoren, wie beispielsweise der Lebenshintergrund eines Menschen mit Behinderung, zu achten. Der Umgang mit Heterogenität erfolgt in der Schule unter Berücksichtigung verschiedener Vorstellungen über die „richtigen“ Reaktionsweisen und institutionellen Angebote. Die schulischen Angebote richten sich formal an alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Begabung und ethnischem Hintergrund. Zusätzlich werden für Kinder und Jugendliche mit spezifischen Merkmalen Angebote bereitgestellt. Diese Angebote folgen zum einen innerhalb des regulären Unterrichts, zum anderen bestehen Angebote, welche außerhalb der regulären Schullaufbahn liegen. In der schulischen Praxis tritt der Umgang mit Heterogenität dort akzentuiert zutage, wo Kinder und Jugendliche nicht bestimmten Leistungsstandards entsprechen. „Der {...} Blick auf das einzelne Kind mag zwar pädagogisch wünschenswert sein; stößt jedoch schnell auf Grenzen der Wahrnehmungskapazität. Würde eine Lehrkraft immer alle möglichen (und in der Literatur auch empfohlenen) Heterogenitätsdimensionen im Blick haben wollen, hieße dies eine Komplexität allein auf der Ebene der Wahrnehmung zu erzeugen, die im konkreten Alltagsgeschäft kaum einlösbar ist und überdies auch zu Verunsicherungen auf der Handlungsebene führen würde: Die Lehrerwahrnehmung im Unterricht {...} keineswegs in böser Absicht, sondern vor allem aus Kapazitätsgründen eher auf den kollektiven Durchschnittsschüler und eben nicht auf das einzelne Kind gerichtet" (Umgang mit Heterogenität, 2010).
Integration Erklärungsversuche
Der Begriff „Integration“ lässt, trotz seiner häufigen Verwendung, keine eindeutige Definition zu. So wird Integration in der Allgemeinen Soziologie durch Münch beispielsweise als „Zustand der Gesellschaft, in dem alle ihre Teile fest miteinander verbunden sind und eine nach außen abgegrenzte Einheit bilden“ bezeichnet.
David Lockwood dagegen macht eine Unterscheidung zwischen der Integration einzelner Menschen bzw. Gruppen in die Gesellschaft und der Integration einzelner gesellschaftlicher Subsysteme, wie beispielsweise das Wirtschafts- oder das Rechtssystem. Dementsprechend wird die Integration einzelner Menschen/Gruppen als Sozialintegration bezeichnet und die Integration einzelner gesellschaftlicher Subsysteme als Systemintegration. Eine weitere Bedeutungsunterscheidung wird von Jürgen Friedrichs vorgenommen. Dieser differenziert zwischen relationaler und absoluter Integration. Erstere betrifft die Integration eines einzelnen Elementes und die Art und Weise, wie dieses in eine höherliegende Einheit integriert ist. Letzteres beschreibt eine übergeordnete Einheit und kann als Maß des vollständigen Zusammenhalts aller Einheiten angesehen werden. Etwas neuere Erklärungen bietet zum Beispiel das Politlexikon der Bundeszentrale für politische Bildung. In diesem bezeichnet Integration zunächst „die Herstellung (oder Wiederherstellung) einer staatlichen, politischen oder wirtschaftlichen Einheit (z. B. Europäische I.).“ Als zweite Definition folgt die Integration als „eine politisch-soziologische Bezeichnung für die gesellschaftliche und politische Eingliederung von Personen oder Bevölkerungsgruppen, die sich bspw. durch ihre ethnische Zugehörigkeit, Religion, Sprache etc. unterscheiden.“ Erweiternd gibt es hier noch den Begriff der Reintegration, welcher folgendermaßen definiert wird: Re-I. bezeichnet die Wiedereingliederung (z.B. krankheitsbedingt ausgeschiedener) ehemaliger Mitglieder einer gesellschaftlichen Gruppe, eines Unternehmens etc. (z.B. in den Arbeitsprozess).“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt für den Begriff „Integration“ die folgende Erklärung ab: „Integration ist ein langfristiger Prozess. Sein Ziel ist es, alle Menschen, die dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben in die Gesellschaft einzubeziehen. Zuwanderern soll eine umfassende und gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden. Sie stehen dafür in der Pflicht, Deutsch zu lernen sowie die Verfassung und die Gesetze zu kennen, zu respektieren und zu befolgen." Integration fängt bereits in der Grundschule an. Besonders Kinder mit Migrationshintergrund müssen so früh wie möglich in die Regelschulklasse integriert werden um so gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben zu können. Dies ist jedoch nicht immer einfach und es bedarf besonderer Maßnahmen um dieses Ziel zu erreichen.